Der folgende Text von mir ist an Weihnachten 2021 in der Lokalpresse ‹Nachrichten aus Greifensee› erschienen.

Hand aufs Herz: Wer hat sich noch nie über Weihnachten genervt? Man hat den Eindruck, schon kurz nach Ostern in den Geschäften über die erste Weihnachtsdekoration zu stolpern. Oder Weihnachtslieder im Radio während dem Altweibersommer? Auch nicht jedermanns Sache.
Und diese penetrante verordnete Fröhlichkeit erst! Selbst wenn ich im Dezember im Dunkeln und frierend durch den Schneematsch wate, darf ich auf keinen Fall schlechte Laune zeigen. Schliesslich müssen es frohe Weihnachten sein, also hat man gefälligst immer ein Lächeln auf den Lippen zu haben.
Streiten unter dem Weihnachtsbaum? Gott behüte! Es ist schliesslich das Fest der Liebe. Da müssen alle so tun, als ob man die egoistische Cousine total nett und die dämlichen Witze des Onkels total lustig findet. Weihnachten müssen harmonisch sein. Da hat es keinen Platz für allzu menschliche Schwächen.
Wirklich? Stellen wir uns vor, Jesus wäre 2021 geboren. Die Hirtentochter nervt sich über den Esel, der ihr perfektes Stall-Selfie verdirbt. Die drei Könige schauen zum vierten Mal auf Google Maps, ob sie auch wirklich am richtigen Ort gelandet sind. Josef ist gerade dabei, der Herberge eine Ein-Sterne-Bewertung zu geben. Und Maria hofft, dass die Kesb nicht vorbeikommt und dieses ganze Chaos sieht.
Perfekt sieht anders aus, oder? An dem Tag, an dem Gott Mensch wurde, hat es so richtig gemenschelt. Da dürfen wir das auch tun: einfach Menschen sein, ohne Stress. Wünschen wir uns allen also schöne, unperfekte Weihnachten!
Ueli Sonderegger